A wie Anfangen: Das Bad geht noch – und den Kühlschrank soll jemand anderes füllen
Es ist doch immer wieder ein Tanz. Die Idee ist da. Zwar vage, aber da. Ich warte seit Wochen auf den Tag, an dem ich mich endlich HINHOCKEN kann. Heute ist es perfekt. Kein Kind krank. Alle in der Schule. Das Telefon ist ausgestöpselt. Der BLING!, der neu hereinkommende Mails ankündigt, ausgestellt. Ich habe auch keinen plötzlichen Hunger, wie schon so oft, wenn ich ein neues Buch beginnen wollte. Der Strom im Haus funktioniert. Der Computer auch. Verdammt … keine Ausrede mehr da.
Doch! Das Bad! Wie es im Bad aussieht! Da sollte man dringend mal wieder … nein, lass es. Das Bad geht noch, beruhige ich mich selbst. Aber der Kühlschrank! Leer! Was sollen die sagen, die mittags nach Hause kommen und ausgehungert die Schnäbel aufsperren? Schreien werden sie! Das Jugendamt anrufen! „Meine Mutter ist Autorin. Sie gibt uns nichts zu essen! Und wenn sie doch einmal kocht, ist es meistens halb angebrannt, weil ihr mitten im Umrühren einfällt, wie sie das Problem im zweiten Akt löst …“ Ja, so werden sie klingen, die Klagen.
Dabei ist alles so einfach.
Eigentlich ist der Anfang eines Buches die leichteste Sache der Welt. Denn am Anfang haben wir noch die freie Wahl – später nicht mehr. Wie in der Liebe. Wenn wir mal gemeinsam losgelegt haben, kommt es beim anderen gut an, wenn wir zumindest noch bis zum Frühstück bleiben 😉
Im Ernst. Wir denken uns den Anfang eines Buches oft schwer. Dabei geht es darum, ein paar ganz einfache Fragen klar zu beantworten. (Ja, ich weiß, Klarheit ist so eine Sache für sich) Aber denken wir es uns hier mal leicht, versuchen wir es!
Fragen wir uns:
– Welches Buch will ich schreiben? Ein Kinderbuch. Ein Jugendbuch. Einen Roman. Eine Kurzgeschichte. Einen Ratgeber. Ein Sachbuch. Einen Reiseführer … Was ist Deine Antwort?
– Wer erzählt dieses Buch? Ein Mensch. Ein Kind. Ein Jugendlicher. Ein Mann mittleren Alters. Eine Dame im reifen Alter von 90. Ein Unternehmen. Ein Produkt. Ein Indianer. Ein Wesen vom anderen Stern. Die Stadt selbst, in der der Reiseführer spielt … Wie lautet Deine Antwort?
– Wenn Du nicht weißt, wer Dein Buch erzählt, setz Dich mit allen Möglichkeiten auf die Couch. Lade alle Deine Figuren – auch im Ratgeber gibt es manchmal Figuren – auf Dein Sofa ein, sprich mit ihnen und frage sie: Wer von Euch will dieses Buch erzählen? Wer von Euch ist dazu am besten geeignet? Mach ein Bewerbungsgespräch mit Deinen Figuren draus! Sie sollten gute Argumente liefern, um Dein Buch zu erzählen!
– Wenn Du keine Couch hast, nimm ein Flipchart oder ein großes Blatt Papier: Schreib alle Namen der Figuren/möglichen Erzähler auf und mach eine Liste mit Vorteilen und Nachteilen: Welcher Erzähler bringt die meisten Vorteile mit sich? Welche Erzählstimme limitiert Dich beim Schreiben oder grenzt die Geschichte ein? Verteile Plusse und Minusse. Fertig. Du wirst das Ergebnis ganz klar vor Dir sehen.
– Im Roman oder Kinderbuch, auch im Jugendbuch, könntest Du auch fragen: Wer von Euch macht die größte Entwicklung durch, die größte (innere oder äußere) Reise? Dort, wo sich am meisten bewegt, wo auch das Konfliktpotenzial am größten ist, ist Deine Geschichte.
Frage Dich auch immer wieder: Was motiviert mich, dieses Buch zu schreiben? Was treibt mich an?
Und dann fang an. So einfach es klingt. Fang an. Recherchier nicht zu lange, verlier Dich nicht in Details. Fang an irgendeiner Stelle an!
Ich habe früher einen großen Tanz um den Anfang eines neuen Buches gemacht (siehe oben). Das Buch stand auf einem hohen Podest. Heute hole ich es immer wieder herunter und sage mir: Fang einfach an. Am Anfang, in der Mitte, am Schluss. Fang an der Stelle an, die Dir den meisten Spaß macht und die Dir am leichtesten fällt.
Das sage ich auch den Autorinnen und Autoren im Coaching, die ich bei ihren Büchern begleite: Fang an der Stelle an, die Dir den meisten Spaß macht. Denn Schreiben soll ja auch Spaß machen!
Wenn es Stellen gibt, bei denen Du später noch was recherchieren musst – markier sie Dir im Dokument. Aber schreib weiter. Bleib bloß nicht stecken! Schreib den ersten Entwurf so schnell wie möglich. Jede Mutter will ihr Kind so schnell wie möglich auf die Welt bringen. Keiner braucht 36-Stunden-Geburten mit Spritzen, Sauerstoffmasken und Saugglocke. Brauchen wir nicht. Wollen wir nicht. Wenn es sich irgend vermeiden lässt.
Setz Dich einfach an Deinen Tisch und schreib. Was Nettes zu trinken daneben (Alkohol geht bei mir gar nicht, bei anderen scheinbar wunderbar, ich halte mich an Tee oder Kaffee, oder, ganz simpel: heißes Wasser). Fertig. Das Bad geht noch. Den Kühlschrank soll ein anderer füllen. Nicht Du. Nicht jetzt. Zumindest nicht in den nächsten zwei Stunden.
Ändern kannst Du später immer noch. Löschen auch. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Du ein paar Stunden Zeit vergeudet hast. Na und? Das hast Du anderswo im Leben sicher auch schon mal, oder?
Und meistens ist es so, dass diese Zeit gar nicht vergeudet ist. Denn alle Gedanken, die wir machen, alle Wege und Irrwege, die wir gehen, führen meist zum Ziel. Früher oder später.
Wenn Dir gar nichts einfällt, dann schreib darüber, dass Dir gar nichts einfällt. Dass Du unbedingt dieses Buch schreiben wolltest – aber es kommt nichts. Du wirst sehen: Es kommt was. Manchmal ein ganz anderes Buch!
Folge dem Fluss, folge den Büchern und Geschichten, die KOMMEN wollen, die leicht gehen. Die anderen sind nur Hirnverknarzelungen, die auf Dauer keinen Spaß machen. Weder Dir, noch Deinen Lesern. Da wo es leicht geht, geht es lang.
Und jetzt fang an!
Wir lesen uns beim nächsten Buchstaben – dem B. („Hey, psst, ich gebe Dir ein B!“) Mehr verrate ich nicht.
Ich wünsche Dir viel Spaß beim Schreiben und Anfangen.
Übrigens. Ab Februar 2017 starte ich mein neues Autorenprogramm. Bald gibt es mehr Infos. Schreib mir eine Mail, wenn Du unverbindlich auf die Liste gesetzt werden möchtest, um als Erste/r über alle Neuigkeiten und Frühbuchermöglichkeiten zu erfahren. Ich freue mich auf Dich und Dein Buch.
Meine E-Mail ist: info@sorriso-verlag.com
Und jetzt: Anfangen 🙂